Die Recuay-Kultur
Die präkolumbianische Recuay-Kultur entstand im peruanischen Hochland in der Nähe der Chavin, benannt wurde diese Kultur beziehungsweise dieser Kunststil nach der Stadt Recuay am oberen Verlauf des Santa-Flusses. Passender wäre jedoch vielleicht die Bezeichnung „Callejon de Huayalas“, nach dem Hochtal, in dem die meisten Relikte dieses Stammes gefunden wurden. Ihre Blütezeit erlebte die Kultur bis circa 650 nach Christus, bevor sie von den Wari verdrängt wurden. Der charakteristische Keramikstil entstand bereits zwischen dem dritten und sechsten Jahrhundert vor Christus. Die Recuay hinterließen vor allem, steinerne Bassreliefs, Skulpturen und Schüsseln aus rosa Granit. Des Weiteren wurde die Recuay-Kultur lange lediglich als ein Teil der sogenannten „klassischen Periode“ angesehen, einer Blütezeit bestimmter, einzigartiger Kunststile, Kultur und sozial-politischer Heterogenität.
Ihren Alltag bestritten sie meist als Farmer oder Hirten in kleinen Dorfgemeinschaften, denen ein Häuptling vorstand. Wie heute wählten die Recuay für ihre Siedlungen Gebiete, die für die Viehaufzucht, sowie den Anbau von Mais oder Früchten besonders geeignet waren. Auch von Bedeutung für die Auswahl eines Siedlungsstandortes waren Viehzucht und die Möglichkeit des Warenaustausches. Eine besondere Rolle fiel in der Recuay-Kultur den Frauen zu, die als Priesterinnen oder Schamaninnen fungierten und somit vor allem für die Durchführung diverser Rituale von besonderer Bedeutung waren. Aber auch im Alltag hatten die Frauen wichtige Positionen inne.
Die Recuay fertigten kunstvolle Skulpturen aus Ton, die zumeist das alltägliche Leben des Indianerstammes darstellen. Diese Skulpturen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, die eine umfasst Wandornamente an Gebäuden, die andere meterhohe, freistehende Statuen aus Stein. Neben Skulpturen entstanden auch einzigartige Gefäße, die mit rotbrauner, weißer und schwarzer Farbe verziert wurden. Charakteristisch für die dreidimensionale Darstellung der Gegenstände waren beispielsweise die Motive von Frauen und Männern in Zeremonialgebäuden, Menschenansammlungen, Lamas, sowie hochrangige Persönlichkeiten beim Trinken. Auffällig im Kontrast zu anderen indianischen Kulturen ist, dass sich keine Darstellungen grausamer Götter finden, was darauf hinweisen könnte, dass den Recuay Opferzeremonien unbekannt waren. Bei den Keramikarbeiten der Recuay handelte es sich meistens um Grabkeramik, daher spielte auch der Kontrast zwischen der Welt der Lebenden und jener der Toten eine bedeutende Rolle. Weiterhin sind die Kunst, sowie das Leben der Recuay stark beeinflusst, von der älteren Chavin-Kultur, aus der sich im Lauf der Geschichte die Recuay entwickelt haben.
Die Beziehungen zu den benachbarten Stämmen, wie beispielsweise den Moche, die in Gebieten an der Küste lebten, waren von Wechselhaftigkeit, aber oft auch von Feindschaft bestimmt. Es fällt jedoch auf, dass beide Kulturen eine Art kleine Gottheit, dass sogenannte „Mondtier“ kannten, was auf einen gemeinsamen Ursprung hindeuten könnte. Außerdem lässt sich aus diversen Funden schließen, dass die Recuay nicht nur gegen benachbarte Stämme Krieg führten, sondern genauso die Dorfgemeinschaften untereinander.
Weiterhin bemerkenswert ist die Bewältigung der Herausforderungen, mit denen sich die Kultur im peruanischen Hochland konfrontiert sah. Auch kann man aus einer Vielzahl von Funden schließen, dass die Recuay soziopolitischen Veränderungen unterlegen waren. Öffentliche Kunst, Austausch und Handel, technologischen Neuerungen, Kriegsführung, sowie Religion können als wichtige Referenzquellen für diese Vermutung herangezogen werden. Die Interaktion der Recuay mit anderen Gruppen und später den Wari zeugen vom langsamen Entstehen komplexerer sozialer Strukturen und Hierarchiebildung. Viele solcher Innovationen, ob Technologie oder soziale Komplexität, beeinflussten die weitere Andeanische Geschichte nachhaltig und sind zum Teil selbst heute noch spürbar.