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Kultur von Caral

Ruinen und Kultur von Caral

Etwa 200 Kilometer nördlich von Lima, der Hauptstadt des heutigen Peru, erstreckt sich auf einem Wüstenplateau im Supe-Flusstal ein gut 60 Hektar großes Areal, welches Archäologen, Kunstkenner, Architekten, Völkerkundler und Historiker gleichermaßen verzückt. Hier befinden sich Überreste einer der ältesten stadtartigen Ansiedlungen – die Ruinen von Caral.

Erstmals erwähnt wurde die Fundstätte 1905 durch den deutschen Forscher Max Uhle. 1940 entstandene Luftaufnahmen zeigten Bilder von kreisrunden Plätzen und Plattformen, doch die Fachwelt blieb skeptisch. Im unwirtlichen Umfeld der Anden hielt sie zivile Ansiedlungen für unmöglich. Erst die privat finanzierten Nachforschungen der peruanischen Archäologin Ruth Martha Shady Solis förderten 2001 Erstaunliches zu Tage: Wie durch Laboruntersuchungen freigelegter Fundstücke nachgewiesen werden konnte, wurden einzelne Bauwerke der Stadt vor bereits rund 5000 Jahren errichtet. Die gesamte Anlage erwies sich als außergewöhnlich gut erhalten und ließ weitere Rückschlüsse auf eine hoch entwickelte Kultur zu.

Um 3000 vor Christus waren es jedoch zunächst einfache Fischer, die sich in der Umgebung des Flusses Supe niederließen. Fehlende Großfanggeräte belegen, dass ihnen ihr Handwerk nicht zu gewerblich betriebenen Überlebenszwecken diente. Vielmehr nutzten sie das Wasser des Flusses, um ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anzulegen, welches die karge Wüstenregion bald in fruchtbare Böden verwandelte. Auf terrassenartig angelegten Feldern betrieben die ehemaligen Fischer den gezielten Anbau von Kulturpflanzen wie Getreide, Kürbissen, Hülsenfrüchten und vor allem Baumwolle. Dadurch sicherten sie nicht nur ihre Selbstversorgung, sondern konnten auch Tauschgeschäfte mit weiter entfernt lebenden Küsten- und Waldbewohnern betreiben.

Das Design der Stadtanlage Carals beeindruckt auch heute noch durch die meisterhafte Berücksichtigung bzw. Einbeziehung geometrischer, topografischer und astronomischer Aspekte. Sie lassen auf entsprechende Kenntnisse und eine genaue Vorausplanung der Erbauer schließen. Einen weiteren Beweis für deren hoch entwickeltes Wissen tritt der Fund unterschiedlich langer und kunstvoll verknüpfter Baumwollfäden mit zahlreichen Knoten an: dieses so genannte Quipu ist Zeugnis einer Schriftsprache, die auf einem mathematischen System basiert und innerhalb der Andenkultur zur gezielten Speicherung und Weitergabe von Informationen diente.

Die Besiedlung Carals endete um 1600 vor Christus. Erst rund 600 Jahre später wurde die Stadt erneut in Besitz genommen und erlebte in der Epoche zwischen 900 und 1440 eine zweite Blütezeit. Bemerkenswert ist, dass die architektonischen Strukturen in beiden Siedlungsphasen erhalten geblieben sind. Archäologischen Erkenntnissen zu Folge haben in und um Caral nie Kriege oder zerstörende Kämpfe stattgefunden; die Stadt weist keine der üblichen Schutzbauten wie Mauern, Gräben oder Wälle auf. Kontrolle und Macht müssen über religiöse Mittel erfolgt sein. Die Entdeckung gigantischer Sakralbauten, Tempel und Pyramiden erhärtet diese Vermutung, macht aber gleichzeitig auf ein weiteres Rätsel aufmerksam: gleichwohl gut erhaltene Überreste menschlicher Leichen entdeckt wurden, konnte keine Friedhofsanlage gefunden werden.

Auf Antrag Ruth Martha Shady Solis erklärte die UNESCO Caral 2009 zum Welterbe, da die Stadt in ihrer Einzigartigkeit eine herausragende Bedeutung für die gesamte Menschheit hat. Mit ihrer Erforschung konnte nachgewiesen werden, dass die so genannte Neue Welt weitaus früher von Hochkulturen besiedelt war als bisher angenommen. Auf dieser Einsicht fußend, müsste die Weltgeschichte umgeschrieben werden. Zu verdanken ist die neue Erkenntnis dem ebenso skeptischen wie selbstlosen Einsatz der peruanischen Forscherin, die sich im Zuge ihrer sensationellen Entdeckung auch für die unmittelbare Umgebung Carals stark gemacht hat.